Montag, 19. Juli 2010

Klettern und Kommerz

Ein Thema zu dem so gut wie schon alles geschrieben und gesagt wurde – könnte man meinen. Wozu also noch mehr Geschwätz dazu? Nun, aus dem einfachen Grund, dass aktuelle Ereignisse dieses Thema immer wieder am Leben erhalten und förmlich nach einem Kommentar, welcher Art auch immer, schreien... Man stelle sich folgendes Szenario vor: Ein 19 jähriger Jungprofi – bekannt geworden durch Begehungen schwierigster Routen schon in jüngsten Jahren, als auch zeitige Erfolge bei internationalen Wettkämpfen – das Ganze in Kombination mit einer gut funktionierenden PR-Maschinerie, ist auf der Suche nach einem neuen Projekt... Aber nicht irgendeinem Projekt, ein richtiger Kracher muss es sein. Etwas was ihn mit einem Schlag wieder ins Gedächtnis des zu Hysterie, aber auch Ignoranz neigenden, internationalen Kletterzirkus zurück ruft. Denn genau darum geht es hierbei – wie wir es unlängst so schön auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft gesehen haben – sich zeigen, mit ein paar guten Aktionen glänzen, ein bisschen gute PR bekommen und schon hat man seinen Marktwert gesteigert oder zumindest für ein, zwei Jahre konserviert und darf noch ein bisschen Naschen vom großen Kuchen... Ich denke nicht anders – wenn auch in anderen Dimensionen – läuft es als Profi beim Bergsport. Wir sprechen hier ja nicht mehr von einer Rand -oder Nischensportart – den Mantel der Unschuld hat das Bergsteigen mit all seinen Facetten schon lange abgeworfen. Mittlerweile kommt man wohl nicht umher, von einer Massensportart zu sprechen. Und damit ist natürlich gut Geld zu machen – die Outdoor-Branche ist seit Jahren, im Vergleich zu anderen Sport-Branchen, die mit dem kontinuierlichsten Wachstum. Und all diese Steigerungen wären wohl kaum möglich, gäbe es nicht das entsprechende Publikum, welches natürlich nicht nur in den gleichen – möglichst an irgendeiner Stelle mit den Buchstaben e-x-t-r-e-m bestickten – Gore-Tex Jacken wie ihre heroes glänzen möchte jeden Sonntag, sondern auch von eben jenen – ihren Helden weiterhin bespielt werden möchte... Man verleiht dadurch nicht nur den eigenen Bemühungen im Hobby-Alltag etwas mehr Glanz – wenn schon nicht Patagonien, dann zumindest die Jacke in die Alex Huber in Patagonien rein gepupst hat... Man hat damit auch ein Schnäppchen im doppelten Sinne gemacht – das elitäre Gefühl für´s Wochenende gibt’s auf der einen Seite und dazu noch einen Platz in der Jury zu entscheiden wer oder was dazugehört – zur Elite (denn nur dessen Sponsor prangt auch auf meiner Brust...), auf der anderen Seite.... Es ist wie mit der Altersvorsorge, man möchte sich absichern, aber das Heft der Entscheidung auch nicht ganz aus der Hand geben – et voilá, die Versicherungsmentalität funktioniert auch beim Bergsport. - Wenn nur der Lawinenlagebericht auch nur so sicher wäre, aber irgendjemand wird sich schon verklagen lassen... ´Tschuldigung, ich schwuf ab... Zurück zu unserem Jungprofi, welcher es ja auch nicht wirklich leicht hat. Er ist international bekannt, hat schon etliche Treppchen – Plätze bei nationalen und internationalen Wettkämpfen eingefahren, aber an irgend einer Stelle ging es nicht so richtig weiter, die Leistung stagnierte – wenn auch auf einem sehr hohen Niveau... Aus ersten Plätzen wurden zweite, dritte und vierte; aus Begehungen in den höchsten Schwierigkeitsgraden wurden Begehungen in sehr hohen Schwierigkeitsgraden – kein großer Unterschied, aber ein Unterschied... Es waren mitterweile andere, die die Titelblätter schmückten. Und genau an dieser Stelle tritt die Perversion dieses ganzen Karussels so deutlich zu Tage, wie nirgends sonst. Es werden heutzutage keine guten und sehr guten Leistungen mehr anerkannt bzw. anerkannt werden sie schon, wenn auch von einem kleineren – fachkundigeren Publikum, sie werden nur nicht mehr belohnt mit Huldigungen vom Pöbel, und damit eben auch nicht mehr so gut bezahlt dass es möglicherweise für ein Leben davon reicht. Dem Mob dürstet nach Extremem – Brot und Spiele... Was also tun um seinen Platz in der Hale of Fame zu sichern!? Ausweichen in Bereiche in denen noch Lorbeeren zu verdienen sind, Bereiche die von denen die besser sind noch nicht so beackert wurden – irgend was alpines machen – man liest diese Phrase ziemlich oft mittlerweile... Und was liegt da näher als eine der bekanntesten Routen an einem der bekanntesten Berge der Welt erstmals komplett frei zu klettern? - Das wäre zweifelsohne ein Meilenstein. Doch wie das ganze angehen – der Stein der Vermarktung will natürlich schon vorher ins Rollen gebracht werden – heißt also langfristig angelegte Werbekampagnen, Internetseiten die ins Leben gerufen werden, Interviews die geführt werden, Sprüche wollen geklopft sein und natürlich soll das ganze auch auf Celluloid festgehalten werden. Gesagt getan, eine Filmcrew begleitet unseren jungen Helden ins Abenteuerland, Träger und Guides tun das Ihre dazu... Stellt sich die Frage – inwieweit ist man, einmal eingespannt in so eine Maschinerie – noch Herr seiner selbst? Welche Entscheidungen kann man nach eigenem Wissen und Gewissen treffen und welche werden einem abgenommen bzw. auf welche hat man gar keinen Einfluss? Ich war und werde sicher nie in einer solchen Situation sein, deshalb ist das Alles spekulativ... Doch so oder so, hoffe ich das man auch als junger (und in gewissen Situationen sicher noch unerfahrener Jungprofi) sein gesunden Menschenverstand nicht an den Toren zum Nationalpark abgibt! Wer wenn nicht der Protagonist des ganzen Geschehens kann den übergreifenden Einfluss auf alles was in seinem Namen und im Namen seiner Sponsoren geschieht Einfluss nehmen? Und genau das hätte er tun müssen. Als einer dessen Beruf es ist zu Klettern, sollte er doch wissen das – wenn auch nicht auf dem Papier festgehalten – es ein paar Regeln im Alpinismus gibt! Denn genau in diesem suchte er ja mit Fahnen und Trompeten den Erfolg... Und prompt begeht er (wenn auch nicht persönlich) einen der gröbsten „Regel“-Verstöße die man sich denken kann. Es werden neue Bohrhaken (sechzig an der Zahl!), in und um eine existierende Route von Weltruf (wenn auch fraglichem...), gesetzt... UND er und sein Team räumen nicht hinter sich auf – es werden 700m Fixseil hängen gelassen. Mit der lapidaren Begründung, sie würden nächste Saison wiederkommen und alles aufräumen... Man stelle sich nur mal vor, jemand behängt die Amerikanische Direkte an der Drus, den Fisch an der Marmolata oder die Hasse-Brandler an der Großen Zinne zuhauf mit Fixseilen und lässt diese dann eine komplette Saison hängen. - Unvorstellbar, Sakrileg!!! Wie sehr kann man sich disqualifizieren und wie sehr kann man eigentlich andere Kletterer und Locals vor den Kopf stoßen? - Scheinbar grenzenlos... Die Frage warum die anwesenden und natürlich auch in Verantwortung stehenden Guides nichts unternommen haben und sogar noch die Entscheidungen in diese (falsche) Richtung forciert haben – sollten sie als Bergführer doch genau um die Schwere dieses Verstoßes wissen – bleibt wohl für immer unbeantwortet...


Quelle: http://www.alpinist.com/media/ALP10/cerrotorre.jpg
Nr. 1 ist Maestris umstrittene Route

2 Kommentare:

  1. ich geh mal davon aus, dass es sich um diese Geschichte handelt. Der jung Profi hat sich nun selbst zu Wort gemeldet.

    http://kletterszene.com/news/david-lama-gibt-ein-statement-zu-seiner-expediton-am-cerro-torre/

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  2. Da hast du richtig vermutet... Und ja - habe sein Statement auch gelesen (wollte es auch noch verlinken...). Tja, eröffnet dies nun neue Blickwinkel!? - Es werden auf jeden Fall einige Fakten relativiert (weniger Bohrhaken, keine (?) Fixseile zurück gelassen...).

    Was bleibt die Moral von der Geschicht´!? - Nicht alles glauben was im Netz verbreitet wird, vorsicht vor überschneller Kritik, we´re all just human after all... oder auch die Berge sind vor den Auswüchsen unserer "Zivilisation" nicht gefeit...!?

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