Samstag, 25. Dezember 2010

Eine Weihnachtsgeschichte

von Peter Hähnel

Endlich ist es wieder einmal so weit! Fest eingemummelt stapfe ich durch den tief verschneiten Winterwald meiner sächsischen Bergheimat. Das Laufen fällt mir mit den Jahren schwerer und schwerer, besonders wenn es bergauf geht fehlt mir die Luft. Langsam und bedächtig schreite ich aus – längst nicht mehr der junge Springinsfeld vergangener Jahre. Als einer der Baumverantwortlichen beim Bergsteigerbund, bin ich unterwegs um „den Bergsport gefährdende Bäume“ anzusehen und gegebenenfalls ihre Fällung beim Forst zu beantragen. „Haben sie da nicht den Bock zum Gärtner gemacht“ denke ich – und entsinne mich schmunzelnd einer längst verjährten Geschichte.

Es war ein Winter wie er im Buche steht. Seit Wochen lag der Kamm des Erzgebirges unter einer geschlossenen Schneedecke, die sich in den letzten Tagen bis ins Flachland geschoben hatte. Nun waren auch die Täler und Höhen der Sächsischen Schweiz tief verschneit und glänzten in winterlicher Pracht. Was gab es also schöneres, als die Weihnachtstage auf einer Berghütte in diesem Märchenland zu verbringen? Kurz entschlossen hatte ich das in die Tat umgesetzt und war mit Kind und Kegel auf die Hütte gefahren. Genauer gesagt mit meiner Frau und den Zwillingen – und weil es sich nicht vermeiden ließ, auch der Schwiegermutter.

Letzteres hatte durchaus auch sein gutes, waren doch die Kinder noch im Krabbelalter und schwerer als ein Sack Flöhe zu hüten. Die Frage „Was ist flüssiger als flüssig?“ mit der Antwort „Die Schwiegermutter – die ist überflüssig!“ galt also für uns nicht. Die Kinder bestens versorgt, konnte ich mich so am Nachmittag jenes „Heiligen Abends“ getrost auf den Weg machen um einen Weihnachtsbaum zu holen. Es war doch klar, dass ich keinen in der Stadt gekauft hatte, wenn ich jetzt praktisch im Walde wohnte. Schon etwa zweihundert Meter von der Hütte entfernt schaute ich mich vorsichtig nach einem Bäumchen um, war mir aber schon der Straftat bewusst, die ich begehen wollte. Allerdings hielt ich das damals eher für ein Kavaliersdelikt und stellte mir gar nicht die Frage, wie es wohl wäre, wenn jeder so handeln würde.

Endlich war das Objekt meiner Begierde erreicht. Unauffällig nahm ich einen Fuchsschwanz aus dem Rucksack und sägte eine mannshohe Fichte unmittelbar über dem Boden ab. Nachdem ich die Säge wieder verpackt hatte, stellte ich den Baum prüfend vor mich hin und überlegte, wie ich ihn tragen könnte. In diesem Moment trat ein Mann in Filzstiefeln und Lodenjoppe hinter einem Busch hervor und herrschte mich an: „Na hören Sie mal, so geht’s wohl?“ Den Baum wegwerfen, die Bemerkung „Du kannst mich mal“ und wegrennen war eins.
Frühestens nach zehn Minuten hielt ich das erste Mal an, hinter mir die unendliche Stille des Waldes. Aber meine einsame Spur konnte mich vielleicht verraten. An einer Wegkreuzung stieß ich endlich auf andere Abdrücke von Stiefeln oder hohen Bergschuhen. Vorsichtig stellte ich mich genau in diese Tapsen hinein und lief einige Meter rückwärts. Dann sprang ich seitlich auf einen Berghang und stieg weglos empor. Der Schnee dämpfte meine Schritte bis zur Lautlosigkeit und auch mein Atmen war wohl nicht mehr zu hören.

Unbemerkt lief ich auf der schrägen Rückseite eines großen Steinblockes hoch, um erschrocken an seiner Abbruchkante zu verharren. Im Schutz dieser Kante, direkt unter mir und keine zwei Meter entfernt, stand ein mächtiger Hirsch. Keine Ahnung wer mehr erschrocken war von uns beiden, aber ich glaube schon ich. Der Zwölfender jedenfalls verschwand ruhig im Unterholz, während ich mich vor Schreck fast hingesetzt hätte. Nach diesem Erlebnis beschloss ich spontan meine Flucht zu beenden und kehrte in großem Bogen als harmloser Spaziergänger zum Ort meines Frevels zurück. Allerdings - leicht frierend - nur im Pullover. Den Anorak hatte ich vorsichtshalber im Rucksack verstaut, um mir ein anderes Outfit zu geben. In Höhe der „Sägestelle“ trat ich dann kurz herunter vom Weg, um an einen Baum zu pinkeln, beziehungsweise so zu tun. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich das Gelände und sah zu meiner Freude, dass mein Weihnachtsbäumchen noch da lag.
Außer meinen Spuren, führten die Abdrücke von Filzstiefeln hin, die aber dort endeten. Das hieß, der Mann hatte gar nicht versucht mir zu folgen.

Beruhigt ging ich zur Hütte zurück, um den Einbruch der Dunkelheit abzuwarten und meine Schwiegermutter als Träger anzuwerben. Der kurze Waldweg und das Stückchen Straße würden kein Problem darstellen. Dann hieße es schnell noch den Baum zu schmücken und die Bescherung konnte beginnen.
Schon wenig später war es soweit. Der Abend begann sich über das weiße Linnen des Schnees zu legen, den aufkommender Wind über die Straße trieb. Bedingungen wie für uns geschaffen. Mit Ausnahme eines Mannes an der Bushaltestelle, der sich zur Seite drehte als wir vorbeigingen, war kein Mensch weit und breit. Keine halbe Stunde und wir waren zurück. Die Aktion Weihnachtsbaum war abgeschlossen. Stolz trat ich mit ihm in die Hütte und erstarrte, … wir hatten Besuch. Es war der Mann von der Haltestelle. Im grünen Pullover saß er am Tisch, Joppe und Hut hingen an der Garderobe.
„Weihnachtsmann“ brabbelten die Kinder, sich die Münder mit Schokolade beschmierend, die er ihnen geschenkt hatte. „ Na“ sagte ich etwas unsicher, „Sie sehen eher wie ein Förster aus, als wie der Weihnachtsmann“.
„Herr Hähnel“ sagte er ernst, „ich bin der Förster“. Mir wurde schlecht und ich musste mich setzen. „Wenn ich mich recht entsinne“ meinte er weiter, „sagten Sie zu mir – Du kannst mich mal … das sollte doch sicher heißen … am Abend besuchen kommen? Die Einladung habe ich angenommen“. „Wie haben Sie mich bloß gefunden?“ stammelte ich. „Ach wissen Sie das war ganz einfach“ lächelte er. „Das ist wie auf der Jagd, man muss nur warten können. Wenn man das Wild verscheucht hat, dauert es oft nicht lange und es kommt auf die Lichtung zurück. Dann musste ich nur noch mit dem Glas verfolgen wohin Sie gingen und schließlich den Transport abwarten – und jetzt habe ich Sie“. „Nun“ sagte er dann, „ ich habe Ihrer Frau den Baum schon in Rechnung gestellt. Ihren Kindern zuliebe und weil Weihnachten ist, will ich von einer Anzeige absehen. Aber Gnade Ihnen Gott, wenn ich Sie noch mal erwische. Das nächste Mal wäre das ein teueres Weihnachten! Na nichts für Ungut, jetzt lassen Sie sich den Heiligen Abend nicht verderben und noch ein frohes Fest!“
Während der letzten Worte hatte er sich die Joppe wieder angezogen und den Hut aufgesetzt. Dann öffnete er die Tür und stapfte hinaus – von den Kindern immer noch für den Weihnachtsmann gehalten. Erst da wurde mir klar, dass ich einer war.
Frohes Fest!

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Merry X-Mas

Alle die noch nicht so recht wissen was es mit dem Mann in rot jedes Jahr auf sich hat - aufgepasst...!

39 Degrees North: Christmas Card 2010 from 39 Degrees North on Vimeo.




Frohe Weihnachten!

Dienstag, 21. Dezember 2010